Erstmalig veröffentlicht 09/2020 im Telegram-Kanal „Tauhīd & Sunnah“ (Link)

Der Gebrauch des Wortes „Imām“

Das arabische Wort Imām bezeichnet im Grunde einen Anführer. Bei Gelehrten ist damit gemeint, dass sie eine für die Muslime führende geistige Position einnahmen.

Es ist angebracht darauf hinzuweisen, dass der übermäßige Gebrauch des Wortes zu vermeiden ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Betitelung mit „Imām“ für einen Gelehrten unzulässig oder eine Neueinbringung (Bid‛ah) wäre – wie dies offenbar manche neuerlich behaupten.

Denn die frühen Gelehrten selbst verwendeten den Begriff durchaus für andere herausragende Gelehrte.

Vermieden werden sollte hierbei auch die Spezifizierung (تخصيص) einiger weniger Persönlichkeiten. Dies führte nämlich dazu, dass viele Menschen dachten und auch heute noch denken, nur diese speziellen Personen hätten eine gewisse Stellung in der islamischen Gelehrsamkeit.

Sodann führte das zur Annahme, man dürfe auch nur diese speziellen Personen so benennen und müsse das darüber hinaus immer bei der Nennung ihres Namens tun.

Für eine derartige Spezifizierung gibt es aber keinen annehmbaren Beweis.

Ein Beispiel für die zuvor angesprochene Verwendung des Wortes Imām ist folgende Aussage, die Ibnu Abī Hātim ar-Rāzī in seinem Werk al-Jarhu wa-t-Ta’dīl über Sufyān ibnu ‛Uyainah überliefert:

حدثنا عبد الرحمن سمعت أبي يقول: سفيان بن عيينة إمام ثقة

Hier wird Ibnu ‛Uyainah als vertrauenswürdiger Imām bezeichnet.

Das ist natürlich nur eines von unzähligen Beispielen, denn das Wort Imām wurde bei den Gelehrten dieser Wissenschaft immer wieder zur Bezeichnung und Einstufung benutzt, aber auch um ganz allgemein die löblichen Eigenschaften eines Gelehrten zu erwähnen.

Abgesehen vom bisher Gesagten ist auch klar, dass diese Benennung keinesfalls für Leute taugt, die falsche und unzulässige Ansichten und Neueinbringungen (Bida‘) vertraten, ganz egal wie bekannt einzelne solche Personen wurden.

Da die Menschen aber zu jeder Zeit immer wieder auch dazu neigen fehlgegangene Personen übermäßig zu loben, ist es für den Studenten des Islam in der Anfangsphase im Regelfall unmöglich in Bezug auf jede Einzelperson klar zu sehen. Je mehr allgemeine Unkenntnis zu einer Zeit über solche Dinge herrscht, umso stärker ist sicher auch dieses Phänomen.

Bei Leuten, die von sich etwas anderes behaupten, und meinen, sie hätten immer schon gewusst, wie jede Person richtig einzuschätzen ist, verhält es sich in Wirklichkeit nicht anders. Jedoch sind sie zusätzlich von Unwissenheit und sehr ausgeprägtem Selbstbetrug geplagt.

Denn auch dieses Wissen ist einem Lernprozess unterworfen – bei jedem Einzelnen von uns.

Wer etwas anderes von sich selbst oder einer anderen Person behauptet, so ist davon auszugehen, dass so jemand einfach an großer Unaufrichtigkeit leidet.

Diese Unaufrichtigkeit tritt dann weiter zutage, wenn es bei solchen Leuten zu merkwürdigen Selbstinszenierungen vor anderen kommt. Möge Allah uns alle vor solchen Verhaltensweisen verschonen. Āmīn.

… والله أعلم … und Allah weiß es am besten.